IST FLOW CHEFSACHE?
Im Berufsalltag begegnen wir immer wieder dem Phänomen „Flow“ – diesem Zustand, in dem Aufgaben mühelos von der Hand gehen, Kreativität sprudelt und Produktivität geradezu explodiert. Doch wer ist in der Verantwortung, diesen Zustand zu ermöglichen? Ist Flow allein Chefsache – oder doch in gleichem Maße Sache der Mitarbeitenden selbst? In diesem Beitrag möchte ich zeigen, dass Flow im Team- oder Firmenkontext niemals nur auf einer Seite liegt. Vielmehr ist es ein gemeinsamer Aushandlungsprozess, in dem Führungskraft und Mitarbeitende ihre jeweiligen Rollen aktiv ausfüllen müssen.
Flow als gemeinsamer Aushandlungsprozess
Flow entsteht nicht automatisch, nur weil ein Chef ein Ziel vorgibt oder ein Mitarbeitender besonders motiviert ist. Es ist vielmehr das Ergebnis einer fortlaufenden Verhandlung – manchmal implizit, oft explizit – zwischen denjenigen, die führen, und denjenigen, die arbeiten.
Chef ≠ Orakel
Eine Führungskraft kann nicht hellsehen, welche Denkmuster, Stärken oder Präferenzen jeder einzelne Mitarbeitende hat. Wer glaubt, dass ein Chef allein durch Erfahrung und Menschenkenntnis erkennt, wann und wie jemand im Flow ist, wird schnell enttäuscht. Auch die 34 Talentleitmotive von Gallup (z. B. „Analytiker“, „Ideenreich“, „Kommunikator“) sind kein Orakel, sondern eher eine Landkarte. Sie helfen dabei, unterschiedliche Denkweisen zu verstehen – aber sie ersetzen keine offene Kommunikation.
Mitarbeiter als Experte für sich selbst
Auf der anderen Seite liegt es auch nicht allein in der Verantwortung des Mitarbeitenden, sich in jeden Kontext einfach hineinzufinden. Nur, weil jemand motiviert ist und seine Aufgabe grundsätzlich mag, heißt das nicht, dass er automatisch in den Flow katapultiert wird. Ohne klare Rahmenbedingungen, passende Strukturen und einen gewissermaßen „sicheren“ Raum, in dem Fehler und neue Ansätze erlaubt sind, verbleibt Motivation oft „übriggeblieben“ Energie – anstatt zu Flow zu führen.
Fazit dieses Abschnitts: Flow ist nie ausschließlich Chefsache und niemals nur auf Seiten der Mitarbeitenden. Es ist ein Durchhandeln, bei dem jede Partei weiß, welche Hebel sie in der Hand hat.
Die Rolle der Führungskraft: Raum und Struktur schaffen
Führungskräfte, die Flow nicht als einen rein individuellen Zustand verstehen, wissen, dass sie zwei zentrale Dinge leisten müssen:
Offenheit für Bedürfnisse
Ein Chef muss aktiv zuhören, Nachfragen stellen und ehrliches Feedback einfordern.
Mitarbeiter brauchen die Freiheit, Aufgaben „auf ihre Art“ zu erledigen. Ein starres Set an Vorschriften mag zwar kurzfristig Effizienz suggerieren – langfristig zerstört es Kreativität, Eigenverantwortung und letztlich den Flow.
Rahmen als Basis
Dazu gehört einerseits ein klarer Zielrahmen: Was genau soll erreicht werden? Welche Qualitätsmaßstäbe gelten?
Andererseits aber auch Freiraum: Wann und wie kann der/die Einzelne seine Stärken am besten einbringen? Etwa, indem es flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Tage oder selbstbestimmte Projektphasen gibt.
Wenn beides zusammenkommt – also klare Ziele und gleichzeitig Freiheit in der Umsetzung – entsteht ein Nährboden, in dem Flow nahezu zwangsläufig aufblüht.
Die Rolle der Mitarbeitenden: Selbstreflexion und Kommunikation
Doch auch die Mitarbeitenden haben ihren Teil beizutragen:
Selbstreflexion
Wer sich seiner eigenen Stärken, Motivationsquellen + Denkweisen bewusst ist, kann fundierter benennen, was er braucht, um in den Flow zu kommen.
Kommunizieren
Ein Mitarbeitender, der seine Bedürfnisse klar kommuniziert, hilft der Führungskraft enorm. Nur so kann diese wirklich passende Rahmenbedingungen schaffen.
Erst in diesem Dialog bezieht der Mitarbeitende proaktiv Verantwortung für seinen eigenen Flow-Zustand – und macht ihn damit zum echten Gemeinschaftsprojekt.
Warum geteilte Verantwortung erfolgreicher ist
In traditionellen Hierarchien neigen Chef und Mitarbeiter oft dazu, Zuständigkeiten zu trennen: Der Chef gibt eine Vision vor, der Mitarbeitende setzt sie um. Im besten Fall entstehen dabei zufriedenstellende Ergebnisse. Im schlimmsten Fall verstopfen Missverständnisse, Unklarheiten oder unterschwellige Frustrationen den gesamten Prozess – und Flow bleibt ein seltenes Gut.
Geteilte Verantwortung bedeutet:
Transparenz: Beide Seiten verstehen, worauf es ankommt. Respekt: Der Chef wertschätzt die Expertise des Mitarbeitenden, und der Mitarbeitende respektiert die Zielvorgaben der Führungskraft. Vertrauen: Beide Parteien vertrauen darauf, dass der andere ernsthaft bestrebt ist, den jeweils anderen zu unterstützen.
Die positiven Nebenwirkungen sind vielfältig:
Höhere Motivation: Wer spürt, dass seine Meinung zählt und echte Freiräume bekommt, arbeitet engagierter. Bessere Teamentwicklung: Wenn Mitarbeitende sich verstanden fühlen und ihre Kolleg:innen sich ebenfalls öffnen, entsteht ein Zusammenhalt, der über formale Teamentwicklung hinausgeht.

FAZIT
Flow bleibt nie allein Chefsache
Flow entsteht im Spannungsfeld zwischen Anforderungen und Fähigkeiten, Struktur und Freiheit, Führung und Eigenverantwortung. Wenn wir Flow allein als Angelegenheit der Führung begreifen, verschenken wir Potenzial – ebenso, wenn wir ihn ausschließlich in den Händen der Mitarbeitenden sehen. Nur wenn beide Seiten bewusst an einem Strang ziehen, zeichnet sich tatsächlich dieser begehrte Zustand ab, der sowohl die Arbeitszufriedenheit als auch die Leistung steigert.
Deshalb gilt: Flow ist ganz sicher nicht ausschließlich Chefsache – genauso wenig ist er alleinig Sache der Mitarbeiter:innen. Vielmehr ist es ein gemeinsamer Weg, auf dem beide Seiten mit Neugier, Respekt und Offenheit unterwegs sein sollten.