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Es gibt Filme, die mir Gänsehaut bereiten. Gefühlt bleibt die Zeit stehen und ich höre auf zu atmen. Einer dieser Momente hatte ich, als ich zum ersten Mal das Intro von „Drei Leben“ gesehen habe. Es ist nicht der Film an sich, der sich in meine Erinnerung verhaftet, sondern der Moment, in dem der Drehbuchautor es schafft, ein gewaltiges Bild in mir zu erzeugen. Ein Bild, welches mich fesselt und meine Emotionen packt und mich erkennen lasst, was die Situation mit mir macht. Ein Moment der Klarheit.

Und genau das schafft der Drehbuchautor in drei Leben. Er lasst mich Beobachter sein, was passiert, wenn wir Sklave unserer Gedanken werden. Im Intro sieht man, wie eine Frau folgenden Text vorträgt, während immer wieder eine andere Frau eingeblendet wird, die auf dem Weg ist zu explodieren:

Gedanken haben ein Eigenleben und wachsen, wenn man sie füttert. Was passiert, wenn sich eine verhängnisvolle Idee in unserem Kopf festsetzt. Auf den ersten Blick mag sie winzig erscheinen, wie ein mikroskopisch kleines Tierchen. Doch wenn wir es durch die Kraft unseres Geistes weiter füttern, wächst das Wesen heran. Und am Ende verschlingt es alles, um sich herum. Freundlichkeit, Empathie, unsere Willenskraft – alles, wirklich alle Eigenschaften, die uns zum Menschen machen, werden letztendlich diesem unersättlichen Appetit erliegen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Parasit so groß geworden, dass er um sich herum keinen Platz mehr hat. Und schließlich explodiert alles!

Es war der Moment der Stille nach dem Ende dieser Worte, als ich selbst aus der Trance erwachte und mir klar wurde, warum dieser Text mich so sehr fasziniert. Er drückt genau das aus, was ich bei mir und auch bei meinen Coachings beobachte: Meist sind es gar nicht die großen Katastrophen, die uns aus dem Gleichgewicht bringen, sondern es ist der kleine Gedanke, der zum gewaltigen Monster heranwuchs. Heranwuchs, da er von mir genährt wurde. Heranwuchs, da mir nicht bewusst war, das ich entscheiden kann, mit was ich mich beschäftige. 

Es war mir in meinem Leben oft nicht bewusst, dass ich wählen kann, ob ich destruktive Gedanken weiter Nahrung gebe und ihnen damit Macht darüber gebe, wie ich mich fühle.

Ich konnte nicht unterscheiden, zwischen Gedanken, die mir helfen und Gedanken, die mir schaden. Ich hatte auch kein Werkzeug, das mir geholfen hat, wie ich beide unterscheiden kann. 

Und dabei denke ich so gerne nach. Nur was bringt es mir, nachzudenken, wenn ich mir dabei immer wieder mein Leben erschwere, da meine Gedanken unkontrolliert sich Dingen widmen, die mich am Ende verzweifeln lassen. 

Nichts, es hat mir geschadet, da ich zum Sklave meines Denkens wurde.

 

Zum Glück, weiß ich heute, dass es auch anders geht. Wir brauchen nur ein Hilfskonstrukt, um uns aus dieser Sklaverei der Gedanken zu befreien. Der erste Schritt dazu ist es, dass wir uns bewusst werden, dass wir lernen können, uns selbst zuzuhören und mit uns in Dialog zu treten. 

Wir plappern den ganzen Tag mit uns selbst. Lerne Dir zuzuhören! Das ist der erste Schritt raus aus der Sklaverei!

Es hört sich zunächst einmal profan an, oder? Aber wann hast Du Dir zum letzten Mal bewusst selbst zugehört? Einfach gelauscht, wie Du mit Dir selbst sprichst?

Wir lernen lesen, schreiben und reden. Aber auf unseren inneren Dialog zu hören und zu erkennen, was dieser Dialog mit uns macht, ist leider keine Schuldisziplin. Die meisten Menschen gehen durchs Leben und merken nicht einmal, dass sie sich mit ihrem Selbstgespräch mehr schaden, als es jeglicher Feind vermögen würde.

Das eigene Denken und das eigene Selbstgespräch zu hinterfragen, ist weder angeboren, noch ist es eine Kunst der Moderne. Ich bin mir sicher, dass Sokrates den Giftbecher viel früher hätte trinken müssen, hätte er sich nicht dem Hilfsmittel des seines sokratischen Dialogs bedient: dem logischen Hinterfragen von abstrakten Konstrukten und Gedankenverknotungen, die er durch seine Fragen solange hinterfragt hat, bis alle unlogischen Schlussfolgerungen entwirrt waren. Es keinen Raum mehr gab für spekulative und in die irreführende nutzlose Erkenntnisse, die auf Basis von falschen Annahmen gemacht wurden.

Und meist sind es auch diese Verknotungen im Denken, mit denen wir uns selbst und unseren Beziehungen am Meisten schaden. Und es sind die kleinen unlogischen Schlussfolgerungen, nicht die großen Katastrophen am Ende. Es sind die kleinen Abwertungen von uns selbst, die selbst auferlegten Zwänge. die wir tagein und tagaus hören und die sich wie Pech in unser Gehirn einbrennen: Es sind die Gesetzte, die wir uns und unserer Gesellschaft selbst auferlegen.

Es ist der Moment, wenn wir aus Wünschen Gesetzte machen, das wir die Grenze von nützlichem Denken hinter uns lassen. Wenn zum Beispiel aus dem Wunsch möglichst fehlerfrei zu arbeiten, ein Muss wird, dann wird es unproduktiv.

Dieses Müssen verschlingt alle Energie, die es nur kriegen kann.

Am Anfang war es vielleicht einfach nur eine kleine Idee, mehr darauf zu achten, Fehler zu vermeiden. Was ja durchaus in vielen Situationen sogar dem Überleben dient. Sobald sich diese Idee jedoch verselbstständigt und ein Zwang daraus wird, dann füttern wir dieses kleine Tierchen, bis uns keine Energie mehr bleibt. Wir werden zwar nicht zwangsläufig zum Amokläufer, aber es absorbiert all unsere Lebensenergie und unser Denkvermögen. Irgendwann fließt die gesamte Aufmerksamkeit in die Einhaltung des Gesetztes: Mir darf unter keinen Umständen ein Fehler passieren. 

Genau hier hilft der sokratische Dialog zu lernen, die eigenen fehlerhaften Denkmuster zu hinterfragen und aufzulösen mit verschiedenen Hinterfragungstechniken. 

Meine Lieblingstechnik, die ich bei mir am häufigsten anwende und die mir meist sehr schnell hilft zu erkennen, ob mein Denken mir hilft oder ob ich Sklave meines Denkens bin ist: 

Wie nützlich sind die Worte, die ich mir sage und wohin führen sie?