Kennst Du die Situation, dass Du im Meeting sitzt und eine Entscheidung herbeiführen willst und dann ergreift eine Dir bekannte Person das Wort und fängt an, ganz viele Fragen zu stellen?
Ich weiß nicht, was Dir in dem Moment durch den Kopf geht. Viele Menschen empfinden die Situation dann als sehr zeit- und energieraubend. Bis hin, dass sie die Augen verdrehen und innerlich auf Durchzug stellen. Im schlimmsten Fall denken sie, dass der Störenfried und Nörgler mal wieder die Macht über das Meeting hat.
In der letzten Woche hatte ich in einem meiner Coachings wieder einmal genau diesen Fall. Ich stellte die Frage, welches Verhalten im Umgang mit anderen Menschen stört Dich und kostet Dich sehr viel Energie? Und schon stand der Nörgler auf dem Plan.
Aber handelte es sich wirklich um einen schwierigen Zeitgenossen, der einfach nörgelt, um sich zu beschweren oder handelt es sich um einen Menschen, der einen wichtigen Beitrag leisten möchte?
Es ist ein kleiner, aber ein wesentlicher Unterschied, ob Jemand einfach seinen Müll abladen will oder ob er Fragen stellt, da ihm das Ergebnis wichtig ist. Und dieser kleine wesentliche Unterschied entscheidet über die Art und Weise, wie man mit dieser Person umgehen kann.
Wenn ich einem klassischen Nörgler begegne und ihm Raum gebe, dann macht das etwas mit allen Menschen, die diesem Menschen zuhören müssen. Sie vergeuden ihre Zeit und im schlimmsten Fall ist ihre Laune nach dem Meeting auf einem Tiefpunkt.
Es macht also nicht wirklich viel Sinn, diesem Menschen den Raum für seine Nörgeleien zu geben. In vielen Fällen handelt es sich jedoch bei Menschen, die in Meetings fragen stellen, nicht um den Berufsnörgler, der klagen kann, ohne zu leiden. Die meisten Menschen, die ich kenne, möchten damit etwas bewirken und einen Nutzen bringen.
Und das lässt sich sehr gut mit den Talentleitmotiven erkennen! Folgende Menschen sind in ihrem Element, wenn sie Fragen stellen dürfen: Der Analytiker möchte Sachverhalte so lange hinterfragen, bis er keine Fragen mehr hat. Der Mensch mit Kontext legt erst los, wenn er den gesamten Kontext verstanden hat und der Behutsame will alle Stolpersteine aus dem Weg räumen, bevor er loslegt.
Diese drei Personen haben eines gemeinsam: Sie werden erst aufhören, Fragen zu stellen, wenn sie die Möglichkeit dazu hatten. Sie möchten mit ihren Fragen dazu beitragen, dass der nächste Schritt erfolgreich wird. Und es wäre nicht nur schade, wenn man diesen Menschen keinen Raum für ihre Fragen geben würde; man würde ihnen vor den Kopf stoßen und ihnen das Gefühl geben, dass ihr Können nicht gefragt ist.
In diesem Falle, wenn sie auf einen Menschen treffen, der sich mit seinen Fragen einbringen will, ist es sogar wichtig, dass er Raum erhält. Im Gegensatz zum klassischen Nörgler, der sich gerade in einer Dauerschleife des Klagens befindet.
Darf er deswegen egal wann und egal wo, seine Fragen stellen? Eines habe ich in all den Jahren immer wieder beobachtet: Stärken werden dann als störend empfunden, wenn der Rahmen dazu einfach nicht der passende ist. Wenn ein Analytiker in Entscheidungsmeetings beginnt, endlose Fragen zu stellen und ihm dabei das ganze Team zusehen muss und nicht wirklich etwas beitragen können, dann fordert dies die Geduld der Teilnehmer und am Ende wird er zum Nörgler abgestempelt.
Wenn es darum geht, Stärken einzusetzen, steht eine Frage an erster Stelle: Was will die Person bewirken und wie können wir es organisieren, dass er seine Stärke einbringen kann, ohne dass andere Menschen ihm dabei zusehen müssen!
Und im Falle vom Analytiker geht es darum, wie kann ich dem Analytiker vorher den Raum geben, dass seine Fragen beantwortet sind, bevor es zur Entscheidungsfrage kommt. Wen braucht er?
Ich habe im Rahmen meiner Position als Organisationsentwicklerin im Engineering in Meetings meine Vorschläge eingebracht, welche Themen wir als nächsten umsetzen. Zu dem Zeitpunkt arbeite ich in einem Team mit ganz vielen Analytikern und bin fast an ihren Fragen verzweifelt: Ich dachte sie finden meine Vorschläge schlecht und dabei war es genau das Gegenteil.
Als ich durch die Arbeit mit den Talentleitmotiven verstand, dass sie nicht einfach nur nörgeln, sondern daran interessiert sind, meine Vorschläge umzusetzen, griff ich zu einer neuen Strategie: Ich fragte den aus meiner Sicht besten Analytiker, ob er mir hilft einen meiner Vorschläge vorab durchzugehen und mir alle Fragen stellt, da ich erkennen will, ob mein Vorschlag Sinn macht.
Ich hatte nicht nur einen Kollegen für mich gewonnen, sondern auch einen Mitstreiter für die Präsentationen, da er mich in meinen Vorhaben unterstützt hat.
Und aus dem scheinbaren Nörgler wurde für mich ein Mitstreiter.